Wer hat das eigentlich,
das Lustproblem?
Keine Lust – trotzdem sexy as fuck
Dieser Artikel erschien bei Terre des Femmes Schweiz
Pink Viagra verspricht, die Lust der Frau wie den Phönix aus der Asche heraufzubeschwören. Spoiler: Es ist leider nicht so einfach.
Amüsiert lese ich eines Morgens auf dem Smartphone ein paar Header über das neue „Viagra für Frauen“ – und frage mich sofort, wer diese Pillen wohl eher kaufen wird: Die Frau, die keine Lust auf Sex hat, aber den Geburtstagssex ihres/ihrer Liebsten nicht vermasseln will oder Männer, die sich erhoffen, damit den Weg in einen entspannten und aufregenden Abend leiten zu können.
Sorry Leute, echt, das Ding ist einfach ein völlig unnötiges Nischenprodukt.
Besonders ärgert mich der Begriff „Viagra“ – weil es überhaupt nicht mit dem Viagra für den Mann vergleichbar ist. Die blauen Pillen bewirken, dass ein wenig potenter Mann in der Lage ist, eine Erektion zu bekommen. Ein Mann, der Viagra nimmt, hat kein Lustproblem, es ist eher etwas Technisches. Also ist Viagra eine Unterstützung für Männer, die Lust auf Sex haben.
Als Pendant dazu haben wir Frauen längst eine noch bequemere Lösung: Wenn wir Lust auf Sex haben, brauchen wir bei sporadischen Scheidentrockenheiten höchstens mal ein bisschen Gleitgel oder ein gediegeneres Vorspiel. Für uns ist es also immer möglich, Spass zu haben, wenn uns die Lust überkommt, ob allein oder mit der/dem Liebsten.
Völlig unklar ist mir deshalb, was eigentlich hinter der Idee für Pink Viagra stecken soll. Ich komme zu keinem anderen Schluss: Einmal mehr ist es eine charmant verpackte Oppression, die uns mitteilen soll, dass wir neben dem Arbeiten, Wählen und Geniessen von Kultur bitte nicht vergessen sollen, dass auch nachts noch Lust auf Geschlechtsverkehr gehabt werden soll und Kinder ja auch nicht von den Bäumen fallen.
Sollte auf dem Nachttisch der Zukunft neben Kondomen und Aspirin noch Pink Viagra (natürlich: pink!) liegen, wird die Frau von heute keine Ausrede mehr haben, keinen Sex zu wollen. Was für ein Glück also für den von der Unlust seiner Frau gequälten Mann mit seiner einwandfrei funktionierenden Erektion, auf die er in seinem hohen Alter noch so stolz ist.
Keine Einzige meiner Freundinnen, mit denen ich offen über Sex und Beziehungen rede, würde ihre Unlust mit einer Pille bekämpfen. Kein Einziger meiner engen Freunde würde seine Mehrlust mit einer Pille downgraden.
Mein (mittlerweile Ex-)Betthase sagt, ich sei gemein. Ich würde die armen Frauen ausklammern, die unter ihrer Unlust leiden und gern wieder mehr Lust hätten. Leider redet er da gerade mit mir, also einer Frau, die tatsächlich schon Erfahrungen mit Unlust machen konnte. Ich muss ihm erklären, dass eine Frau, die keine Lust empfindet, nicht unbedingt darunter leidet. Sie trauert ihrer Unlust nicht nach, sondern denkt einfach nicht darüber nach. Ich freue mich über Kommentare hierzu, wenn eine Lesende es hier anders empfindet. Asexuelle Menschen haben doch niemals Lust auf Sex und kommen meines Wissens sehr gut damit klar. Man würde ja auch nicht die Unlust, Sport zu treiben, behandeln oder die Unlust, Fleisch zu essen.
Er ist beleidigt, bezeichnet mich als «lustfeindlich», rauscht davon und schläft dann lange Zeit nicht mit mir.
In den Anwendungsbeschreibungen und Erfahrungsberichten von Pink Viagra lese ich davon, dass es vielen Beziehungen helfen könnte, aus der Frustspirale aus Lust und Unlust der beiden Partner*innen herauszukommen. Bullshit. Ein Lustproblem in einer Beziehung wird sich nicht durch die Luststeigerung oder die Lusthemmung lösen lassen, sondern nur durch offene Kommunikation auf Augenhöhe, Offenheit und Spass. Traurig finde ich, dass Lust als Währung für eine gute Beziehung gehandelt wird und Frauen (und Männern) das Gefühl vermittelt wird, dass ihre Lust abrufbar sein muss.
Wer trotzdem das Lustproblem aktiv in Angriff nehmen will, dem empfehle ich, sein Geld für einen guten Wein, stressfreie Zeit oder online bei OMG Yes auszugeben.

You may also like

Back to Top